Wellbeing und Muttersein. Wie passt das zusammen?

“Wellbeing? Für so etwas habe ich keine Zeit …“. Diesen Satz aus dem Mund einer Mutter zu hören, ist keine Seltenheit. Dabei ist es vollkommen legitim und verständlich, dass Mutterschaft und Zeit für sich selbst nicht immer Hand in Hand gehen. Die Mütter von heute - und ich traue mich hier für viele das Wort zu ergreifen - haben das Gefühl, alles erreichen zu können: einen erfüllenden Beruf, eine glückliche Familie, Zeit für die Kinder und den Partner, eine blitzblanke Wohnung oder gar noch einen immer hübsch gemähten Rollrasen vor dem Haus … Doch wenn wir einmal ehrlich sind - Was bleibt bei diesem Marathon an Möglichkeiten und Anforderungen eigentlich auf der Strecke?

Wellbeing ist so individuell wie das Muttersein selbst.

Die Generation der Mitte-Dreißig-Mütter trägt so einiges auf dem Buckel: Das Erbe einer patriarchalischen Gesellschaft, das von früheren Generationen vorgegebene Bild der Mutterrolle und gleichzeitig die Möglichkeit, überall auf der Welt eine große Karriere zu starten. Doch dieses “Everything is possible”, was uns häufig dazu verleitet, viel zu hohe Ansprüche an uns selbst zu stellen, wirkt sich nicht immer positiv auf unser Wohlbefinden aus. Dieses Potpourri aus To-Do Listen für die Woche, die Liste mit all den Dingen, die wir gerne hätten, die wir bald besorgen, die Gute-Vorsätze-Liste zum Anfang des Jahres … Erzeugt dies nicht eher ein Gefühl von Druck, als dass es uns glücklicher macht?

Vielleicht wird nicht jede Mutter diese Gedanken nachvollziehen können. Herzlichen Glückwunsch! Mir fällt es häufig sehr schwer, mich nicht von all dem inspirieren zu lassen, was mein Leben als Mutter potenziell (noch) besser machen könnte. Woher das kommt? Den Mädchen aus meiner Generation wurde erzählt, dass wir durch gute Arbeit und Bildung einen Job bekämen, der uns später erfüllen würde. Es hatte aber niemand erwähnt, wie es funktionieren würde, seinen Traumjob auszuüben und mittags Zuhause zu sein, wenn das Kind aus dem Kindergarten abgeholt werden soll … Uns stehen alle Möglichkeiten offen und doch hat uns weder jemand das Handwerkszeug weitergereicht, damit umzugehen noch die gesellschaftliche Akzeptanz dafür geschaffen. In diesen Fragen ist es an uns, eigene Antworten zu finden und uns dabei nicht auf halber Strecke selbst zu verlieren. 

Wellbeing bedeutet für mich nicht, in eine Wellnessoase zu fahren. Es ist viel mehr als das. Es geht vor allem darum, das Muttersein als ein Teil von vielen anderen unseres Lebens zu betrachten, die miteinander im Einklang stehen müssen. Dabei spielt Zeit nicht immer eine wesentliche Rolle. Vielmehr geht es um Freiheit und den Schubser, den wir uns geben müssen, um diese auch einzufordern.

Die kleinen Dinge erkennen, die uns Freude bereiten.


Ich zähle definitiv zu den Alles-oder-nichts-Kandidaten. Geht es mir in einem Bereich meines Lebens schlecht, dann ist mein ganzes Gleichgewicht auf den Kopf gestellt. Ich habe lange gebraucht, um all diese Bedürfnisse zu identifizieren, um zu wissen, was essenziell für mein Wohlbefinden geworden ist. Natürlich freuen wir uns über das Bild, dass uns unsere Kleinen gemalt haben oder darüber jeden Tag ihre Fortschritte erleben dürfen. Für mein persönliches Wohlbefinden gehört es aber auch dazu, freudige Momente zu erleben, die nicht nur in Verbindung mit der Mutterrolle stehen. Ich verspüre die größte Freude, wenn ich meinen Kaffee ohne Lärm bei Sonnenschein auf der Terrasse trinke,  ein neues Lied höre, mich in einer 5-Minuten-Pause hinsetze und eine Zeitschrift lese, anstatt noch schnell aufzuräumen, schöne Fingernägel habe, Podcasts höre, alleine in eine Ausstellung oder ins Kino gehe, mir einen Strauß Wiesenblumen pflücke oder mit meinen Freundinnen telefoniere

Diese simplen Dinge des Alltags sind für mich wie kleine Mosaiksteine, die, wenn ich sie zusammen lege, ein herrliches Ergebnis schaffen. Viele dieser Bausteine erfordern Zeit, doch auch dieses Argument ist manchmal nur eine Ausrede …

Ohne Terminkalender keine Freiheit.


Wer nicht fragt, bekommt auch nichts. Damit wir uns um unser Wellbeing kümmern können, müssen wir es einplanen. Die Bedürfnisse anderer werden immer überhand nehmen, wenn wir unsere eigenen nicht einfordern. Oft erwähnen wir sie ganz unverbindlich: “Oh, ich würde so gerne mal wieder …” Solche Andeutungen werden von unserem Gegenüber oder dem Partner zwar gehört, aber selten als wichtiges Bedürfnis erkannt (Wie auch, wenn wir es nicht als solches äußern?). Mein Mann und ich haben daher ein Kalender-Date geschaffen. Wie in einem Meeting setzen wir uns an den Tisch und jeder trägt ein, was bei dem anderen so los ist. So kann man sich darüber austauschen, was dem anderen gerade wichtig ist und sehen, wie wir im Kalender dafür Platz einräumen können. Dort steht dann gleichwertig verteilt: Zahnarztbesuch neben der Chorprobe und dem Kindertanzen. 


Schluss mit dem schlechten Gewissen.

Sobald ich meine Bedürfnisse in den verschiedenen Lebensbereichen erkannt hatte, meldete sich sofort dieses unwillkommene Ziehen in der Magengegend. “Wenn mein Mann und ich Mittwoch abends unseren Hobbys nachgehen und wir eine Babysitterin für unsere Tochter engagieren müssen oder die Oma bestellen müssen, wird der Aufwand für alle wieder viel zu groß.” Wie viel Aufwand betreiben wir eigentlich selbst für unsere Familie und weshalb sollten wir nicht dasselbe Maß an Aufwand verdienen?  Sich selbst diese Frage zu stellen und sich seines eigenen Wertes bewusst zu sein, hilft dabei, dem schlechten Gewissen ein Ende zu bereiten.


Die To-Do Liste beiseitelegen.

Die Sache mit dem Wellbeing und uns etwas Gutes tun ist ja schön und gut. Wieso bringt uns dann die Organisation dieser Wohlfühlmomente in einen zusätzlichen Stress? Zu wissen, was uns guttut und es einzufordern, halte ich für absolut erstrebenswert. Es verbissen zu verfolgen und dabei an Flexibilität und Leichtigkeit zu verlieren ist aus meiner Erfahrung nach kontraproduktiv. Das morgendliche Yoga wieder nicht geschafft, wo uns die Übungen doch immer so schön in die Balance bringen? Dann seis’ drum! Wenn ich wieder einmal merke, dass ich mir zu viel auf die Liste geschrieben habe, hilft nur noch eins - sie einfach in den Papierkorb zu werfen. Und das ist das wahre Gefühl von Freiheit!

Zurück
Zurück

L’intuition - La petite voix du bien-être

Weiter
Weiter

“Maman, je veux une petite soeur”. Questionnement sur un deuxième enfant.