Pausen fürs Wellbeing. Wann haben wir damit aufgehört, zwischendurch einmal anzuhalten?
Das Leben rast. Wie schnell doch die Zeit vergeht … Tagtäglich brabbeln wir diese Art von Floskeln vor uns hin und haben es andauernd im Gefühl: Uns geht alles viel zu schnell. Als Kinder kamen uns die Sommerferien vor wie eine halbe Ewigkeit. Heute ist nach sechs Wochen schon wieder die Zeit verflogen wie im Wind. Wieso fällt es uns so schwer auf den Pausenknopf zu drücken und die Welt öfters einmal anzuhalten?
Ich kann mich noch gut an das Klingeln der Pausenglocke erinnern. Puh, geschafft, der Vormittag und die Mathestunde waren überstanden. Jetzt konnte man sich endlich wichtigen Dingen widmen wie nach der neuesten Flamme Ausschau halten, eine Runde mit den Freunden ablästern, ohne vom Lehrer unterbrochen zu werden, und sich ein Schokohörnchen beim Bäcker an der Ecke kaufen.
20 Minuten dauerte in meinem Gymnasium die große Pause. Alleine schon das Wort große Pause lässt heute bei mir im Kopf etwas klingeln. Als später meine Zeit vom Berufsalltag bestimmt wurde, dauerte meine große Pause am Vormittag nicht länger als etwa 5 bis maximal 10 Minuten (Pause = schnell einen Kaffee rauslassen, bei dem einen Kollegen vorbeischauen, um kurz etwas zu besprechen und einmal noch auf die Etage, um eine Rechnung bei der Buchhaltung einzureichen).
Gut, nach vier Stunden gab es die Mittagspause. Die kurzen Pausen, die es einem in der Schule ermöglichten, den Raum zu wechseln, mit einer Thematik abzuschließen, bevor man in die nächste eintauchte, hatten sich mit den Jahren aber aufgelöst. Ein wahrer Verlust, wie ich finde. Es regierte nun ein übervoller Terminkalender bis auf das winzigste Detail optimiert, um die Arbeit so fertig zu bekommen, das man anschließend das Kind pünktlich aus der Kita einsammeln konnte und so weiter und so fort.
Die Pause? Um 22 Uhr 30 auf dem Sofa! Aber ja, richtig, nur noch sechs Wochen und dann war ja der Urlaub geplant, wo man dann ganze zwei Wochen eingerichtet hatte, um sich ausgiebig zu erholen. Auf die Plätze, fertig, los!
Pause und Produktivität
Sicherlich klinge ich hier etwas überspitzt und zynisch. In meinem Umfeld wird mir allerdings immer häufiger Ähnliches berichtet. Viele können auch von Mittagspausen nur träumen, reihen ein Meeting nach dem anderen aneinander und versuchen zwischendurch ihre kilometerlange To-do-Liste abzuarbeiten. Nach dem deutschen Arbeitsgesetz gilt für die Pausenregelung (ArbZG), dass bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden eine 30-minütige Pause eingelegt werden muss. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden. Sechs Stunden pausenlos durcharbeiten wäre also laut Gesetz in Ordnung? Es scheint, als bringe dies den Erfolg eines Unternehmens ein, ganz nach dem Motto “mehr ist mehr”.
Wieso glauben wir, dass Pausen eine negative Wirkung auf unsere Produktivität ausüben und woran liegt es, dass sich das Keine-Pause-Machen als eine Art Norm eingeschlichen hat? Seit wann sind Pausen “uncool” geworden?
Weshalb stellen wir unser Wellbeing häufig hinter unsere Arbeit an, wo unser Körper doch der Motor unserer Produktivität ist?
Auswirkungen der Pause
Ich habe die ersten Paragrafen bewusst in der Vergangenheit beschrieben. Nachdem ich irgendwann keine Lust (und Energie!) mehr hatte, mich wie in einem Hamsterrad zu fühlen oder täglich die Tour de France zu gewinnen, versuchte ich es öfters Pausen einzulegen, ohne mich dafür schuldig zu fühlen. Ich habe für mich entdeckt, dass mein Stresslevel gesunken ist und meine Ideen schneller fließen konnten, sodass ich diese Erfahrung auch in andere Lebensbereiche einfließen lassen wollte. Einen Nachmittag lang etwas alleine, ohne meine Familie zu unternehmen und auch hier eine kleine Pause einzulegen, hat einen besonders positiven Effekt auf mein Wohlbefinden und somit auf das meiner gesamten Familie.
Die Bilanz? Ich habe durch die häufigeren Pausen und die damit anders verwendete Zeit nicht weniger erreicht. Meine Produktivität blieb dieselbe und wurde sogar noch gesteigert. Ein guter Freund hatte mir vor einiger Zeit veranschaulicht, wie sich das Pausenmachen auch auf unsere Urlaubszeit auswirkt. Früher habe ich nur darauf hingearbeitet, sodass ich völlig ausgebrannt, mich nach einer Pause lechzend in die Ferien verabschiedet habe, um danach dann wieder ganz genau so weiterzumachen wie vorher. So versuchen zu arbeiten, damit man dem Gefühl nach gar keinen Urlaub braucht, ist für mich nun zum Hauptziel geworden.
Es geht nicht immer um Zeit, sondern um Energie
Sobald ich von nun an einen Knoten in den Kopf bekomme und auf meinem Laptop hin und her scrolle, anstatt konzentriert zu arbeiten, klappe ich ihn zu und gehe eine kleine Runde spazieren. Danach geht es für mich so weiter, als würde mein Arbeitstag gerade erst beginnen und ich habe im Endeffekt keine einzige Stunde vertrödelt.
Die französische Redakteurin Perla Servan-Schreiber notierte einmal Folgendes: “Um effizient zu sein, versuche nicht, dir deine Zeit, sondern deine Energie einzuteilen (...).” Wenn ich früh morgens nicht so richtig in die Gänge komme, überlege ich mir es nun zweimal: Ist es wirklich produktiv, pünktlich am Tisch zu sitzen - konzentrationslos und verschlafen - oder mir mehr Zeit zum Wachwerden zu nehmen und dann in einer knappen Stunde den ersten Teil meiner Liste erledigt zu haben?
Ich stelle mir nun viel häufiger die Frage, was mir Energie gibt (auch, wenn es Zeit zu fressen scheint), um den doppelten Gewinn daraus zu ziehen: die Freude über die effektiv genutzte Zeit und das damit gesteigerte Wohlbefinden. Pause machen heißt für mich Altes aus dem Kopf heraus zu befördern, um wieder Neues aufnehmen zu können. Für diesen Prozess benötigt es nicht nur Zeit, sondern vor allem unsere Energie.
Als Freelancerin habe ich heute natürlich mehr Freiheiten als während meiner Festanstellung. Ich muss auf kein Team Rücksicht nehmen oder einer Büroordnung gerecht werden. Doch auch als Angestellte hätte ich es wagen können, mich etwas öfter von meinem Drehstuhl zu erheben.
Soziale Zwänge und unser Arbeitsumfeld hindern uns an so vielem. Wenn es aber so einen großen Einfluss auf uns hat, was andere Kollegen tun, kann man den Spieß doch auch einfach umdrehen. Dann wird es vielleicht zur Gewohnheit, das Büro für einen kurzen Pausen-Spaziergang einige Minuten lang zu verlassen.
Ich bin für die Wiedereinführung der großen Pause in unserem Alltag. Dafür, dass langsamer nicht schlechter bedeutet und wir uns die Frage stellen dürfen, wie viel Zeit wir zum Luftholen brauchen.