Kaffee, eine Leidenschaft.
Er ist die perfekte Pause, eine Ausrede, um sie noch einige Minuten zu verlängern, eine Einladung zu einem gemeinsamen Treffen. Er begleitet wichtige und banale Unterhaltungen, macht wach und manchmal auch nervös. Wenn sein Duft morgens in die Nase steigt, hat er etwas Beruhigendes, obwohl er so einiges im Körper aktiviert. Kaffee ist mehr als nur ein Heißgetränk.
Die einen trinken ihn schwarz, die anderen mit viel Milch. Von Espresso über Cappuccino bis hin zu Latte Macchiato und Filterkaffee über den Handfilter, aus der French Press oder frisch gemahlen aus der Siebträgermaschine - Kaffee und vor allem das Kaffeekochen wird heute als Kunst-Akt verstanden. In Großstädten tummeln sich Röstereien, die neue Sorten anbieten und unseren Gaumen auf exotischere Pfade führen, die in den letzten Jahrzehnten von der Industrie begraben wurden. Coffee Shops, einer einladender als der andere, verleiten uns dazu, auf unseren Spaziergängen oder während unserer Besorgungen Halt zu machen.
Wenn das dunkle Elixier morgens nach einem sehr lauten Gekrache aus der Mühle schließlich in mein Kaffeeschälchen fließt, ist der Tag meistens noch jung. Das weiße Blatt ist noch unbeschrieben. Alle Möglichkeiten stehen offen. Meine Kinder wissen: keine Diskussionen, keine Streitereien vor Mamas erstem Kaffee. Denn Kaffee reimt sich für mich auf Ruhe. Kaffee gibt mir die Ermächtigung einer Pause, ohne mich dafür rechtfertigen zu müssen. Wenn ich seinen Duft einatme und mein Schälchen mit beiden Händen umschließe, tanke ich Wärme und Energie auf. Er ist wie ein Versprechen für einen ruhigen Start in den Tag, sollte er sich als auch noch so unruhig ankündigen.
Meine Leidenschaft für Kaffee entwickelte sich um mein sechzehntes Lebensjahr. Das erste Mal probierte ich ihn beim sonntäglichen Kaffee und Kuchen bei Oma, natürlich mit extra viel Milch. Meine erste Reaktion erinnere ich nicht mehr, aber er wurde sehr schnell zum regelmäßigen Ersatz für Kaba oder Früchtetee.
Auf dem Schulhof entpuppte er sich irgendwann als Coolness-Faktor. Entweder holte man ihn in der Cafeteria oder hatte (wie ich) einen schicken Starbucks-Thermobecher, mit dem man durch die Zehn-Uhr-Zehn-Pause stolzierte. Man war damit so was von erwachsen! Was für die einen damals die Zigarette bedeutete, war für mich der Kaffee. Er stärkte mich physisch und mental.
Diese warme, duftende Kaffeewelt hat für mich auch immer etwas Ästhetisches. Es gibt so viele Möglichkeiten, dieses Getränk noch schöner zu machen. Umso unverständlicher ist es für mich, wenn manche Menschen Automatenkaffee im Plastikbecher trinken. Eine Kaffee-und-Kuchen-Tafel ist meistens hübsch gedeckt, entweder mit Omas altem Kaffeeservice, kunterbunt durchgemischten Tassen oder alles ganz abgestimmt. Je nach Zubereitung wird er in einer schönen Kanne serviert oder fließt direkt aus der Maschine in ein dafür vorgesehenes Gefäß. Auch hier ist die Vielfalt unbegrenzt - kleine Espresso-Gläser oder -Tassen mit und ohne Henkel, handgefertigte Keramikbecher, Mugs oder hübsches Porzellan.
Serviert man dieses Getränk, um es mit anderen gemeinsam zu genießen, dann schüttet man es nicht einfach so in jedes beliebige Gefäß. Serviert man jemandem Kaffee, steckt immer auch ein wenig Sorgfalt und Achtsamkeit darin. Schließlich stellt man seinem Gegenüber immer die höflichen Fragen wie: “Mit oder ohne Zucker?”, “Kurz oder lang?” ,“Viel oder wenig Milch?.” Und wenn man bereits die Antwort kennt, zeigt es, wie nahe man der jeweiligen Person steht. Denn man weiß ja, wie sie ihren Kaffee trinkt. Die Freude über das Kaffeetrinken verhält sich ein wenig wie das Glück im Allgemeinen. Sie verdoppelt sich, wenn man sie teilt.
Und dann wäre da noch das höchste der Gefühle. Der ideale Moment oder Ort, an dem man sich Zeit für ihn nimmt. Der Genuss verstärkt sich um ein Vielfaches. Ein Kaffee in der Sonne mit der Nase weit nach oben gestreckt (etwa auf der Treppe vor unserem Haus) oder auf der Terrasse eines Cafés kann wie ein Fünf-Minuten-Urlaub wirken. Man muss ihn nicht einmal vorher gebucht haben. Womit könnte man sich den Alltag besser versüßen als mit einer Tasse Kaffee?