Interview: Ernährungscoach Katharina Gantenberg
“Ernährung ist für mich der Anfang des Ganzen. Wenn man anfängt an ihr zu schrauben, dann kommt ein Stein ins Rollen.” Katharina Gantenberg ist Mama von zwei Kindern und lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Hamburg. Ernährung spielte für sie schon immer eine besondere Rolle, weshalb sie ihre Leidenschaft zu ihrem Beruf gemacht hat. In einem ganz besonders sympathischen Gespräch beantwortet sie mir einige Fragen rund um gesunde Ernährung für uns und unsere Kinder und erklärt, wie sich gute Kommunikation gepaart mit einem lockeren Umgang positiv auswirken kann.
Seit wann interessierst du dich für Ernährung? Hat dieses Thema schon immer eine wichtige Rolle für dich gespielt?
Ich habe mich tatsächlich schon immer dafür interessiert, viel darüber gelesen und früher schon gerne gekocht. Ich habe später beim Institut for Integrative Nutrition in New York ein Studium abgeschlossen, bei dem ich von Ärzten und Wissenschaftlern profitieren konnte, die einen ganzheitlichen Ansatz in Bezug auf Ernährung verfolgten. Ich wollte das Thema Ernährung auf keinen Fall isoliert von allem betrachten.
„Ich finde es besonders faszinierend, dass sich dank gesunder Ernährung auch so vieles im Kopf verändert. Und eben auch in unserem Darm.“
Ernährung ist für mich der Anfang des Ganzen. Wenn man anfängt an ihr zu schrauben, dann kommt ein Stein ins Rollen. Ich kenne kaum Menschen, die intensiv Yoga machen und jeden Tag zu McDonald’s gehen. Sobald man anfängt, seine Ernährung umzustellen, sich gesund zu ernähren, mehr vollwertige Lebensmittel und Ballaststoffe zu essen, wird auch der Geist klarer. Ich finde es besonders faszinierend, dass sich dank gesunder Ernährung auch so vieles im Kopf verändern kann. Und eben auch in unserem Darm.
Unser Mikrobiom ist das A und O unserer Gesundheit. Wie stark wirkt sich gesunde bzw. „falsche“ Ernährung auf die Darmflora aus? Wie sieht das bei Kindern aus?
Ich kann nach über zehnjähriger Beratung mit Ärzten, Heilpraktikern und anderen Experten eines zusammenfassen: Wenn man über Jahre und Jahrzehnte etwas zu sich nimmt, was der Körper eigentlich nicht möchte, dann entsteht eine Entzündung, die den Darm kaputt macht. Oftmals hat man von außen betrachtet das Gefühl, sich gesund zu ernähren, man fühlt sich aber trotzdem noch müde und kraftlos. Es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass sich 80 % unseres Immunsystems im Darm befinden. Wenn dieser nicht richtig funktioniert, dann können auch die Nährstoffe nicht richtig aufgenommen werden.
Wie merkt man dann, dass der Darm nicht richtig funktioniert?
Klare Anzeichen sind: regelmäßiger Blähbauch nach bestimmten Lebensmitteln oder im Allgemeinen. Die Verdauung sollte regelmäßig und idealerweise auch in einem bestimmten Rhythmus sein. Der Toilettengang sollte einmal pro Tag erfolgen, bei Kindern eher häufiger. Auch die Konsistenz und Farbe des Stuhls (dazu gibt es auch Bilder) spielen eine Rolle. Ein gutes Zeichen wäre, dass man eigentlich kein Toilettenpapier verwenden müsste.
Wenn der Darm nicht gut funktioniert, treten häufig Symptome auf wie regelmäßige Müdigkeit und depressive Verstimmungen. Aber dies kann alles auch mit einem Nährstoffmangel zusammenhängen. Es ist ein unglaublich komplexes und medizinisches Thema, weshalb ich mich in meinen Beratungen hauptsächlich auf die Umsetzung eines gesunden Lifestyles konzentriere. Es ist in den sozialen Medien wie auf Instagram teilweise gefährlich, dass so viele generelle und unfundierte Empfehlungen gemacht werden. Ich empfehle immer den Gang zu einem ganzheitlichen Ernährungsexperten oder Arzt, der sich auf diese spezifischen Themen spezialisiert hat. Aussagen wie: “Gluten ist schlecht!”, werden häufig viel zu leichtfertig getroffen, denn jeder ist anders und man sollte lernen herauszufinden, was zu einem passt. Genau das trifft auch auf Kinder zu. Jeder Körper ist anders und man muss lernen, auf ihn zu hören.
Wie sieht für dich die perfekte Ernährung für Kinder aus? Was sollten sie idealerweise täglich konsumieren?
Wenn man jegliche Arten von Ernährungsformen miteinander vergleicht - von Keto, Paleo, Vegan bis Vegetarisch - haben sie alle eine Sache gemeinsam: Sie sind reich an pflanzlichen Lebensmitteln. Gemüse, Obst und alles, was bunt und vielfältig ist, empfehle ich sowohl Erwachsenen als auch Kindern. Pflanzliche Lebensmittel zu konsumieren ist immer ein richtiger und wichtiger Weg - ganz egal ob roh oder gekocht.
Viele Kinder lieben Rohkost. Es heißt zwar, man solle abends keinen Salat essen, weil er im Darm gärt. Wenn die Kinder aber Rohkost lieben und abends keine Bauchschmerzen bekommen, dann denke ich einfach: “Super, sie essen total viel buntes Gemüse. Dann soll es eben roh sein, wenn es ihnen bekommt.”
Wie kann man Kleinkindern, die ungern Obst und Gemüse zu sich nehmen, trotzdem etwas Gesundes bieten?
Was ich besonders wichtig finde: niemals aufhören, den Kindern etwas anzubieten - einer der größten Fehler, die ich immer wieder in meinen Kursen und Coachings erlebe. Ich kann es sehr gut nachvollziehen, dass gerade Eltern in der Autonomiephase der Kinder (“Ih, nee, mag ich nicht, das darf nicht auf meinen Teller…”) aufhören, gesundes Essen anzubieten. Viele Experten haben sich auf Picky-Eating spezialisiert. Allerdings ist dieses wählerische Verhalten bei Kleinkindern vollkommen normal. Bei vielen Eltern entsteht dann dieser Frust (“Mami hat gekocht”, “Jetzt iss es doch”, “Ich hab mir so viel Mühe gemacht”). Es ist aber so wichtig, nicht damit aufzuhören, den Kindern gesunde Kost anzubieten und keinen Wochenplan aufzustellen, der ausschließlich Pfannkuchen, Nudeln und Reis enthält.
Um Essen gesünder zu gestalten, muss man natürlich Zeit einplanen und auch eine gewisse Routine entwickeln. In meinen Kursen werfen wir häufig einen Blick auf die Tagesabläufe der Familien. Man kann es den Kindern auch einfach kommunizieren, dass Mama jetzt Zeit zum Kochen braucht. Ich finde es wichtig, dass wir den Kindern das Kochen zeigen und auf den Weg mitgeben, dass sie auch immer die Möglichkeit bekommen, mitmachen zu dürfen. Kochen erfordert eine gewisse Zeit, aber für Fußball und Klavierunterricht ist ja auch die entsprechende Zeit eingeplant. Alles ist ein Thema des Mindsets, wie wichtig einem gute Ernährung ist und was man priorisiert.
„Um Essen gesünder zu gestalten, muss man natürlich Zeit einplanen.“
Je mehr Routinen man aber hat, desto schneller geht es letztendlich auch. Intuitives Kochen ist dabei auch das Stichwort, was vielen sehr schwer fällt, weil man es nicht wirklich gelernt hat. Am einfachsten ist es, sich eine Liste mit den Lieblingsgerichten zusammenzustellen und dann zu sehen, wie man diese Gerichte optimieren und verschiedene Varianten entwickeln kann.
Die Einnahme von Antibiotika zerstört unsere gesunden Darmbakterien und es dauert Monate, bis sich die Darmflora wieder erholt hat. Ist das auch bei Kindern so?
Antibiotika sind etwas, was wir im Notfall brauchen. Sie machen den Darm kaputt, sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen, indem sie alle Bakterien abtöten. Auch die guten. Manche können in ihrer Form gar nicht mehr wieder entstehen. Es passiert oft - bei Menschen, die nicht besonders auf ihre Ernährung achten -, dass man in einen Teufelskreis gerät. Alle guten Bakterien sind kaputt, der Darm ist extrem geschwächt und wir werden viel anfälliger für Infekte. Danach kommt wieder eine neue Medikation. Generell sollte man Antibiotika vermeiden, wenn es irgendwie geht. Ich überprüfe immer, ob es wirklich alternativlos ist. Aber natürlich gibt es Kinderkrankheiten, bei denen es keine Alternativen gibt. Anschließend würde ich auf jeden Fall Präbiotika empfehlen - in Pulver- oder Kapselform. Es gibt auch spezielle Präparate für Kinder wie z.B. von Biogena. Man sollte sich dann im Zweifelsfall an Heilpraktiker oder auch an die Apotheke wenden, denn Prä- und Probiotika gibt es auch in Tropfenform. Es ersetzt aber in keinem Fall eine ausgewogene, gesunde Ernährung. Gerade während und nach der Antibiotikaeinnahme sollten viele pflanzliche Lebensmittel konsumiert werden: viel Obst und Gemüse und besonders bunt und vielfältig, Vollkorngetreide (und auch dies sehr vielfältig: Buchweizen, Hafer, Hirse, Quinoa), Hülsenfrüchte, Nüsse und Saaten.
„Mein Fokus ist immer: Wie können wir Familiengerichte gesünder, nährstoffreicher und vielfältiger gestalten, sodass es am Ende allen schmeckt. “
Am besten ist ein selbst gemachter Proteinmix aus einer Körnermischung. Man kann diese gemahlen wunderbar auch den Kindern ins Müsli mischen, wenn sie nicht gerade Kürbiskerne in der Müslischale haben möchten oder sie in eine Tomatensoße mischen. Mein Fokus ist immer: Wie können wir Familiengerichte gesünder, nährstoffreicher und vielfältiger gestalten, sodass es am Ende allen schmeckt. Nach einer Antibiotikabehandlung sollte man dies besonders verstärken und sehen, wo man Ballaststoffe und eine bunte Vielfalt für den Darm unterbringen kann.
Worauf sollten wir bei der Kinderernährung besonders achten?
Man sollte vor allem versuchen, feste Mahlzeiten einzuhalten, denn der Darm braucht seine Pausen. Auch bei Kindern ist es ideal, wenn ungefähr zwei Stunden zwischen den Mahlzeiten liegen. Dauersnacken in der heutigen Gesellschaft erachte ich als problematisch. Die Kinder hatten im Kindergarten eine Obstmahlzeit, werden abgeholt und bekommen auf dem Spielplatz gleich ein Laugenbrötchen. Ein Laugenbrötchen ist aber wie eine ganze Mahlzeit für ein kleines Kind und kein Snack. Dies kann dazu führen, dass die Kinder am Abend das Abendessen verweigern.
Kommunikation und Werte beim Essen spielen eine extrem wichtige Rolle für unsere Kinder. Man kann ihnen auf eine lockere, kindliche Art beibringen, was Essen mit uns macht. Durch Aufklärung schaffen es die Kinder dann selbst ihre eigene Meinung zu bilden und auch Dinge abzulehnen. Wenn sie wissen, weshalb wir gewisse Lebensmittel nicht essen sollten, dann sagen sie von sich aus, dass sie es auch nicht möchten.
Kindergeburtstage, Feiern im Kindergarten… Wie streng sollte man als Eltern die Sache mit dem Zucker nehmen?
Die ersten Jahre der Ernährung und des Essverhaltens wird sie ihr Leben lang begleiten. Je früher wir mit guter Ernährung anfangen - idealerweise schon während der Schwangerschaft - und den Kindern den Spaß daran vermitteln, umso besser.
Meine Empfehlung in Bezug auf Süßigkeiten: Lasst Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen. Lasst sie auch einmal Bauchweh bekommen. Das Wichtigste ist, dass die Kinder ein entspanntes Essverhalten lernen.
Theoretisch müssten sie auf einen Kindergeburtstag gehen können und sagen: “All die Kuchen und Süßigkeiten esse ich zwar, aber interessieren mich nicht besonders und ich gehe dann wieder spielen”. Denn das Kind weiß, Zuhause frage ich Mama danach und sie würde auch nicht Nein sagen.
„Süßigkeiten sind nichts Besonderes, sondern im Prinzip gleichgestellt mit Brokkoli.“
Wir können unsere Kinder nicht ewig begleiten. Irgendwann holen sich die Kinder das, was ihnen immer verboten wurde. Wenn man versucht, den Druck herauszunehmen und Süßigkeiten nicht zu etwas Besonderem zu machen, dann ist es für die Kinder einfach nicht mehr spannend. Dann sind Süßigkeiten im Prinzip gleichgestellt mit Brokkoli. Man kann Kindern viel erklären, ohne etwas als schlecht zu bezeichnen, zu kategorisieren oder Lebensmittel zu rationieren. Auch der Nachtisch darf einmal zuerst gegessen werden, ohne dass damit gedroht wird, ihn ausfallen zu lassen, wenn die Kinder nicht aufgegessen haben. Ich glaube, diese eher lockere Art, Dinge erst gar nicht spannend zu machen, sorgt dafür, dass Süßes an Reiz verliert. Rationieren, Druckaufbau und Kategorisieren sehe ich als kontraproduktiv an.
Du teilst super Rezepte auf deinem Instagram Account - aber wie handhabst du es mit deinen Kindern, wenn andere Eltern ständig die Chips- und Bonbontüten auspacken?
Der Fokus sollte nicht darauf gelegt werden, was die Kinder alles nicht essen dürfen, sondern darauf, wie wir Ernährung bunt und vielfältig gestalten können. Wie backen wir Pfannkuchen, die Linsen enthalten oder wie stellt man Vollkorngetreide selbst her? Es ist doch wichtig zu wissen, welche schöne Vielfalt es überhaupt gibt. Wenn ein gutes Grundessverhalten geschaffen wurde, dann werden sich die Kinder auch auf dem Spielplatz nicht auf die Kekse und Bonbons der anderen stürzen. Es ist aber immer ein sehr schmaler Grad, locker zu bleiben und ein bisschen etwas zu erlauben, weil es zur Gesellschaft dazu gehört, dass eine glückliche Kindheit mit Süßigkeiten gleichgestellt wird. Ich würde auf alle Fälle immer mit den Kindern darüber sprechen, warum sie aus meiner Sicht dieses oder jenes nicht essen sollten. Und am Ende kommen sie von ganz alleine darauf, was für sie am besten ist. ***
Danke Katharina!