“Mama, kann ich noch ein Bonbon essen?” - Wie ernähren wir unsere Kinder eigentlich gesund?
Ich zog damals der Liebe wegen in das Land der Völlerei und lebte tatsächlich wie eine Göttin in Frankreich. Ich aß endlich echtes Brot aus Bäckereien, in denen Brot wirklich von einem Bäcker gebacken wurde und lernte gleichzeitig, dass “Abendbrot” keine ausgewogene Mahlzeit ist. Meine Ernährungsgewohnheiten haben sich mit Ende zwanzig stets verbessert und doch stelle ich mir in meinen Dreißigern als Mutter die große Frage: Was bedeutet gesunde Ernährung in Bezug auf unsere Kinder?
Gute Ernährung und Informationsflut
Frauenmagazine, Instagram, Fachzeitschriften … Es wimmelt gerade nur so von ratsamen Ernährungs-Tipps und davon, was wir unserem Körper Gutes tun können, um uns möglichst lange gesund und fit zu halten. Doch sieht man sich all diese guten Ratschläge einmal genauer an, stößt man erst auf die Komplexität dieser Themen und bemerkt die Widersprüchlichkeit, die mit gesunder Ernährung einhergehen kann. Der Autor und Wissenschaftsjournalist Bas Kast hat bereits einen Bestseller daraus gemacht (Der Ernährungskompass. Das Fazit aller wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung., Bertelsmann, 2018).
Was als “gesund” betrachtet wird, hat sich im Laufe der Jahrhunderte so verändert, wie die Menschheit selbst. Während meiner Kindheit - ich denke an all die Choco-Pops, Fruchtzwerge, Smacks und die geliebte Capri Sonne!!! - hieß es stets, man solle von allem etwas essen. Nur, dass eben auf die Portionen dieses “Etwas” geachtet werden sollte, die davon verzehrt werden.
Die französische Esskultur hat für mich nicht nur dazu beigetragen, meine Leidenschaft für gutes Essen zu leben, sie hat mich auch gelehrt, dass das “Sich-Nähren” einen wichtigen Platz im Leben einnehmen darf. In französischen Unternehmen ist die Mittagspause heilig. Man genießt häufig gemeinsam mit Kollegen eine warme Mahlzeit und zelebriert dies im nahe gelegenen Restaurant. Abends wird mit der Familie gekocht. Den Satz, den ich oft in Deutschland hörte - “Wir haben ja heute schon gegessen” - ist den französischen Nachbarn ein Rätsel. Denn eine ausgewogene Ernährung findet über den ganzen Tag verteilt statt, nicht nur mittags mit einer Butterbrezel vor dem Computer und endet schon gar nicht mit einem läppischen Käsebrot am Abend.
Ich fühlte mich also, was eine ausgewogene Ernährung anbelangte, meiner deutschen Familie unglaublich überlegen. Bis zu meinem ersten Gang zur Naturheilpraktikerin.
Liegt die Antwort in der Naturheilpraxis?
Aufgrund von einigen gesundheitlichen Problemen, die von Hausärzten nicht weiter unter die Lupe genommen wurden, wandte ich mich an Pascale Frémeaux. Sie ist Naturheilpraktikerin in Paris und untersuchte mit mir eineinhalb Stunden lang mein Leben: Meine Lebensgewohnheiten, mein Essverhalten, ja auch die Frage nach dem Stuhlgang musste hier geklärt werden. Ich, die dachte, dass frisches, saisonales Gemüse vom Markt, frischer Fisch einmal pro Woche und der Verzicht auf das morgendliche Schokocroissant schon ausreichen würden, ging mit einem 10-seitigen Ernährungsplan nach Hause. Ich war komplett vor den Kopf gestoßen, wie weit ich offenbar von einer Ernährung entfernt war, die für einen ausgeglichenen Säure-Basen-Haushalt sorgt, meine Darmflora aufbaut, (das A und O für alles!) und mein Immunsystem stärkt. “Man könnte es auf jeden Fall noch besser machen”, so Pascale Frémeaux.
Die Gesundheit unserer Kinder
Seitdem ich mich intensiver mit all dem befasse, was meine Gesundheit ernährungstechnisch wirklich verbessern soll, wirkt sich dies selbstverständlich auf die Essgewohnheiten meiner Familie aus. Es profitieren also alle davon.
Aber stimmt das auch?
Vollkornmehl im Kuchen, Ballaststoffe aus grünem Gemüse, so viel Omega-3-Fette wie möglich und so viele Proteine wie nötig - all das versuche ich täglich für mein Mikrobiom zu tun. Doch ich lernte auch, dass nicht alles, was gesund ist, auch für meine Gesundheit förderlich ist, wie etwa Zitrusfrüchte, die das für uns wichtige Vitamin C in der Winterzeit liefern, doch für meine gesundheitlichen Probleme eher ungünstig sind.
Woher können wir dann genau wissen, was unsere Kinder wirklich brauchen?
Wie beeinflussen wir das Essverhalten unserer Kinder?
Meine Tochter liebt es zu essen. Für sie ist ein Restaurantbesuch, als würden wir sie ins Disneyland ausführen. Und sie liebt nicht nur Weihnachtsplätzchen und Schokoeier oder Nudeln mit Soße, sondern isst auch gerne Endiviensalat und Brokkoli. Ein unglaubliches Glück, denke ich mir.
Mit den neuen Freundschaften auf dem Spielplatz, den ersten Einladungen zum Kindergeburtstag und den Nachmittagssnacks in der Betreuung nach dem Kindergarten hat sich für sie eine neue Welt eröffnet, jenseits der Zuhause gebackenen zuckerreduzierten Tarte mit Dinkelmehl. Sie stürzt sich geradezu auf die quietsch-grünen Bonbons, die industriell hergestellten und achtmal in Plastik verpackten Marmelade-Kekse und trinkt Erdbeermilch aus dem Tetrapack.
Alles dahin, denkt man sich da.
Auf die Ernährung unserer Kinder üben wir (leider) nicht immer den Einfluss, den wir uns wünschen. Nicht jeden Tag und schon gar nicht ihr Leben lang. Auch wenn ich mir häufig die Frage stelle, wann ich meine Tochter nun das x-te Bonbon essen lasse und wann es genug ist, ist weder eine wissenschaftlich fundierte Entscheidung noch irgendwie sonst gerechtfertigt.
Ich tröste mich allerdings damit, dass wir als Eltern eine Sache in der Hand haben: wie wir selbst mit uns und unserer Ernährung umgehen, was wir unseren Kindern vorleben und auch, was wir ihnen täglich darüber beibringen.
Meine Tochter weiß, dass sie Bauchweh bekommt, wenn sie zu viele Bonbons isst und dass in der Kiwi viel Vitamin C steckt, das sie “zu einem großen Mädchen” macht.
Was die Grenzen dessen betrifft, was ideal für sie und was zu viel ist, kann ich nur hoffen, den richtigen Weg gefunden zu haben. Denn ich möchte vor allem, dass sie ihre Freude am Essen bewahrt und bei Omas Gemüselasagne genau solche Luftsprünge macht wie beim Geburtstagskuchen ihres kleinen Freundes.