Wellbeing durch Kuchenbacken - eine Familientradition mit meditativem Effekt

Wenn es eine Sache gibt, die mich mehr an meine Familie erinnert als tausende Fotos auf dem Smartphone, dann ist es das Kuchenbacken. Kuchen erzeugt für mich absolutes Wellbeing, ein muckelig warmes Gefühl, das kein Spa der Welt heraufbeschwören kann.  

Würde meine Oma diesen Artikel lesen, hätte sie schon längst mit der Hand abgewunken: “Was ist daran schon so besonders?” Meine Oma, die jeden Samstag Hefezopf backt, für die das Teigkneten keine Meditation, sondern eine Routine wie etwa das Staubsaugen ist, kann sicherlich nicht verstehen, was meine Generation an dieser “Hausarbeit” findet. “Jetzt hast du dir auch noch so viel Arbeit gemacht und Kuchen gebacken!”, sagt sie, wenn sie zu Besuch kommt. Arbeit - auch diese Vorstellung unterliegt einem Wandel. Wer verbindet schließlich heute Kuchenbacken noch mit Arbeit?

Backen, ein wahres Fest

In meiner Familie wurde eigentlich immer gebacken: zu “Kaffee und Kuchen” am Sonntag oder sollte sich jemand an einem der anderen Tage zu Besuch gemeldet haben, zu Geburtstagen, Feiertagen oder einfach nur, um ein neues Rezept auszuprobieren. Jedes Familienmitglied hatte natürlich seinen persönlichen Lieblingskuchen und war auch nur einer dabei, der sein Glück in der aktuell auf dem Buffet angebotenen Tortenauswahl nicht finden konnte, wurde ein zusätzlicher Kuchen gebacken. Ja, es ähnelte einem Schlaraffenland. Die Spezialitäten reichten von Schwarzwälder Kirschtorte, über den klassischen Käsekuchen bis hin zu Himbeer-Maracuja-Torten. Geburtstage waren bei uns ein wahres Fest der Völlerei! 

Dass dieses Spitzenniveau der Tortenkunst keine Selbstverständlichkeit ist, wurde mir erst bewusst, als ich bei Familien eingeladen war, die es mit dem Genuss anders hielten: “Ach, Zwetschgenkuchen kann man auch kaufen?”, so mein erster Gedanke. 

Mit Kuchen schaffe ich Erinnerungen

Heute steht Backen für etwas, das ich weitergeben kann und womit ich Erinnerungen schaffe. So wie dieses eine Mal, als ich mit meiner Mutter Weihnachtsplätzchen backte, es draußen anfing zu schneien und wir sofort noch eine Runde durch den Schnee stapften.

Backen bringt mir dieses wohlige Gefühl aus meiner Vergangenheit zurück, das sich mit der ruhigen Bewegung vermengt, wenn ich den Eischnee der Mehl-Zucker-Mischung unterhebe. Letztlich ist es der aus dem Ofen steigende Geruch, der mir damals in der Küche meiner Vorgängerinnen in die Nase stieg, der mir heute dieses ruhige Gefühl verschafft. 


Natürlich können sich nicht alle auf diese Kindheitserinnerungen berufen (ohne dabei auch nur eine Sekunde lang diejenigen zu verurteilen, die ihren Kuchen beim Bäcker kaufen!). Was verwandelt das Kuchenbacken in eine Meditationsstunde?

Kuchenbacken, eine Form des Meditierens

Anders als beim Kochen, sind Präzision und Konzentration die erfolgversprechendsten Elemente eines gelungenen Kuchens. Hält man sich nicht zu 100 % an die Spielregeln, kann aus einem fluffigen Biskuitboden schnell eine alte Schuhsohle entstehen. Begriffe wie “unterheben” statt “verrühren” oder die Eier nicht nach Anzahl zu verwenden, sondern nach Gramm abzuwiegen, machen den wahren Unterschied eines Rezepts aus. 

Um aus einer Rezeptidee Wirklichkeit werden zu lassen, benötigt es unsere vollste Aufmerksamkeit. Wir müssen uns auf unsere menschlichen Sinne berufen. Kneten wir einen Teig mit den Händen, tun wir dies solange bis es sich richtig anfühlt, bis aus dem Gebrösel schließlich eine feste, ausrollbare Masse wird. Wir konzentrieren uns in einem besonderen Moment unseres Alltags auf nur eine einzige Aktion und sind somit wenigstens für eine Stunde vollkommen bei der Sache (bei uns?). Eine Empfehlung: Auch wenn ich viele Rezepte online entdeckt habe, schreibe ich mir diese immer auf ein Blatt Papier. So kann während des Backens keine Whatsapp Nachricht stören, keine Mail aufpoppen oder sonst irgendetwas klingeln - außer vielleicht die Eieruhr!

Schon die Vorbereitung aller Zutaten hat für mich eine beruhigende Wirkung. Alles genauestens abzuwiegen, in kleine Schälchen zu füllen und auf Tellerchen zu platzieren versprüht schon die Vorfreude auf das, was danach kommt: ein unglaublich gutes Ergebnis, was bekanntermaßen unser Selbstwertgefühl steigert und das Glücksgefühl erhöht. 

Wenn schließlich alles im Ofen gelandet ist, berufe ich mich auf eine weitere Tradition meiner Kindheit. Ich setze mich vor den Ofen und schaue zu, wie mein Werk zur Vollendung kommt. Dieser Moment lässt sich in etwa mit dem Augenblick vergleichen, wenn man nach einer Meditation langsam die Augen öffnet und ganz bei sich ist, mit dem Gefühl, dass jetzt gleich etwas Gutes kommen wird! Was an Kuchen sogar noch besser ist als an Meditation? Das Wellbeing-Gefühl kann verdoppelt werden, da man es mit anderen teilen kann!

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La parentalité multiculturelle : Les premiers pas d’une mère entre deux pays.